YouTube hat mich zum Junkie gemacht. Reels, TikToks und Shorts – sollten mich wieder entwöhnen, aber jetzt ändert sich alles. Kurzvideos weg – lange Videos her. Endlich wieder Storytelling, ohne Rücksicht auf Verluste.
Ich bin Simon, 24 Jahre alt, zum zweiten Mal hier und ich habe Angst vor den neusten Änderungen der Social-Media-Netzwerke. Mein Suchtmittel sind lange gute Geschichten mit vielen Details und inhaltlichem Mehrwert. In der heldenzeit habe ich Gleichgesinnte gefunden – alles alte Storyteller.
Nachdem die Netzwerke alles dafür getan haben, meine Aufmerksamkeitsspanne auf ein Minimum zu reduzieren, fallen sie mir jetzt zum zweiten Mal skrupellos in den Rücken und erweitern die maximalen Videolängen um ein Vielfaches. Ich war kurz davor, von meinem Craving nach Langformat-Videos wegzukommen und jetzt gibt’s wieder 90 Sekunden Stories, 10 Minuten Reels und eine Stunde Videos im Feed… und das sind nur die Änderungen auf Instagram. TikTok hat das schon länger umgestellt. Auch YouTube pusht wieder Langvideos und Shorts geraten in den Hintergrund. Also muss ich wohl oder übel wieder aufmerksam zuhören, Details aufschnappen und gute lange Geschichten konsumieren. Ich gebe mich geschlagen – und zwar gern!
Aber was soll das? Erst werden alle Videolängen bis auf ein Minimum reduziert, die Leute an Kurzvideos gewöhnt und jetzt merken die Netzwerke doch, dass Langformate besser sind? Warum passiert das? Was bedeutet das für die Unternehmenskommunikation? Und warum zur Hölle feiert das winkende Skelett im Schaukelstuhl diese Änderungen? Naja, um das herauszufinden, musst du den Blogbeitrag lesen.
Warum pushen die Netzwerke Langformate?
Längere Videos ermöglichen es den Plattformen, die Nutzer:innen länger auf ihrer Seite zu halten. Das haben Studien gezeigt, – und dass eine längere Verweildauer zu einer höheren Nutzerbindung führt. Wenn Nutzer:innen also mehr Zeit mit dem Konsum von Inhalten verbringen, sind sie eher bereit, auf der Plattform zu bleiben und wiederzukommen.
Längere Formate erlauben es Ersteller:innen, komplexere Geschichten zu erzählen, ausführlichere Tutorials zu geben oder tiefere Einblicke in Themen zu bieten. Das funktioniert super: YouTube hat den Erfolg von Langformaten vorgemacht und eine heftige Nutzerbindung erreicht. In Deutschland schauen circa 80 % der Bevölkerung einmal im Monat etwas auf YouTube, mehr als 33 % täglich.
Warum die Langformate eine Zeit lang weg waren?
Lange Zeit waren Langformate in den sozialen Medien auf dem Rückzug. Der Hauptgrund dafür war die zunehmende Beliebtheit von Kurzformaten wie Instagram Stories, TikToks und YouTube Shorts. Diese Formate bieten schnelle, unterhaltsame und leicht verdauliche Inhalte, die mit wenig Aufwand einen kleinen kurzen und süchtig machenden Dopamin-Rausch erzeugten.
Die Algorithmen der Netzwerke unterstützten diesen Trend, da Kurzvideos häufiger angeschaut und geteilt wurden. Das führte zu einem schnellen Wachstum von Trends und viralen Inhalten, was den Netzwerken half, ihre Reichweite und Nutzerbasis zu vergrößern. Schlussendlich gelang es, das Nutzerverhalten so zu beeinflussen, dass Gen Y und Gen Z an 9:16-formatige Kurzinhalte gewöhnt wurden – eine der stärksten Veränderungen, die neue Medien uns gebracht haben.
Doch während der Nutzer schnell konsumierbare Inhalte genoss, begann auch eine Gegenbewegung: Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen und tiefgehenden Geschichten wuchs. Plattformen erkannten, dass längere Videos die Möglichkeit boten, eine stärkere emotionale Bindung zu schaffen und komplexere Inhalte zu vermitteln. Das führte wiederum dazu, dass die Algorithmen angepasst wurden, um längere kreative Formate wieder verstärkt zu fördern.
Das Zusammenspiel von Nutzertrends und der Algorithmus-Ausrichtung zeigt, wie dynamisch und anpassungsfähig Social-Media-Netzwerke sind. Die wollen sowohl die aktuellen Bedürfnisse der Nutzer:innen erfüllen als auch die Engagement-Möglichkeiten maximieren.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Unternehmen haben durch die Produktion von langen Videoformaten eine enorme Chance, ihre Markenkommunikation zu stärken und sich von Wettbewerben abzuheben. Mit längeren Videos können sie komplexere Botschaften vermitteln, umfassende Produktdemonstrationen durchführen und einen Einblick hinter die Kulissen geben, was das Vertrauen und die Loyalität der Zielgruppe fördert.
Langformate bieten zudem den Nutzen, dass mehr Platz für Kontext und Hintergrundinformationen geboten wird. Das bietet einen großen Vorteil, wenn Unternehmenswerte oder die Mission eines Unternehmens verstanden werden sollen. So können sie ihre Expertise und ihre einzigartigen Angebote umfassender präsentieren, um eine stärkere Markenidentität und eine höhere Kundenbindung zu erreichen.
Original-Content und seine Bedeutung
Fast unbemerkt hat sich eine weitere, fast noch wichtigere Änderung der Algorithmen eingeschlichen. Auf den Plattformen werden jetzt neben den Langformat-Videos auch wieder selbst erstellte Inhalte gepusht. Das heißt: Geteilte und kopierte Inhalte sind kaum noch relevant, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Creator und Unternehmen sind endlich wieder gezwungen, kreativer und authentischer zu werden. Originelle Inhalte, die einzigartig und qualitativ hochwertig sind, werden jetzt als wertvoller und relevanter angesehen. Das führt zu mehr Reichweite und einem höheren Engagement. Also endlich weg von tausenden mal gesehenen Trends und hin zu echten, greifbaren Inhalten, die das Publikum wirklich fesseln. Gerade in Verbindung mit den Änderungen hinsichtlich der Videolänge wird Original-Content das neue Nonplusultra in Sachen Content-Creation auf Social Media.
So what? Und das Skelett im Schaukelstuhl
Mit den neuen Funktionen und erweiterten Möglichkeiten auf Instagram und Co. werden gute Geschichten wieder in den Mittelpunkt gerückt. Endlich! Bei uns eingefleischten Storyteller:innen laufen jetzt jedenfalls die Schaukelstühle heiß.