30. März 2023 Sophia Henkel

Einfache Sprache

01

April

2023

Autorin:

Heike

Schwieriger als gedacht

Als Redakteurin fehlen mir eigentlich nie die Worte. Schnell ist ein Satz fertig und schon fließt der nächste aus meinen Fingern. Die Liebe zur Sprache sorgt aber für ein großes Problem: So ein kreativer Schaffensprozess gerät meist unbemerkt außer Kontrolle und versteigt sich in ein Elaborat, das mit zunehmender Länge unzählige hoffnungsvoll Lesende auf der Strecke lässt. Verlorene Chancen säumen jede Zeile, erdolcht von überflüssigen Buchstaben. Für mich und unzählige Schreiberlinge heißt es deshalb: Zurück auf den Pfad der Tugend!

Das Zauberwort heißt Einfache Sprache. Sie ist die große Schwester der Leichten Sprache, die Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung die Teilhabe an Gesellschaft und Politik ermöglichen soll und für die es seit 2009 ein europäisches Regelwerk gibt. Einfache Sprache darf erheblich mehr. Sie ist eben die große Schwester, für die es weniger Regeln gibt, man kennt das. Es sollte also nicht allzu schwer sein, einen Text über Einfache Sprache in Einfacher Sprache zu schreiben. Oder?

 

Kein Platz für Worthülsen

Lesen macht Spaß, wenn es leicht geht. Das gilt für Kinder, aber auch für viele Erwachsene. Mein Text sollte dafür genaue und konkrete Wörter nutzen, die nicht abstrakt oder missverständlich sind. Keinen Platz haben Fachausdrücke, Substantivierungen, Füllwörter, Worthülsen und Abkürzungen. Eine einfache Grammatik verbessert die Verständlichkeit. Unnötige Informationen lasse ich komplett weg. Dafür darf meine Sprache unterhaltsam sein. So entstehen kurze, einfache Texte, die zum Lesen verführen.

Ein Text in Einfacher Sprache wird dadurch von viel mehr Menschen gelesen. Ältere Menschen, Personen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Lernschwierigkeiten, Hörbehinderung, funktionalem Analphabetismus, Legasthenie, Aphasie, Autismus, Demenz, Hirnverletzungen können ihn gut verstehen. Lesende bleiben länger interessiert, wodurch der Inhalt besser vermittelt und abgespeichert wird.

 

Größere Zielgruppe

Übrigens: Auch Menschen ohne Beeinträchtigungen mögen Texte gerne barrierefrei. Sie müssen im Berufsleben und in der Freizeit mit einer großen Menge an Informationen umgehen: E-Mails, Fachliteratur, Chats, Websites, Protokolle, Bedienungsanleitungen oder Beipackzettel von Medikamenten. Da ist die Einfache Sprache eine willkommene Erleichterung. Sie spart den Lesenden viel Zeit. Ihre Freude darüber verbindet sich unbewusst mit dem Inhalt oder der Textquelle. So setzen diese Texte Gefühlsanker, indem sie positiv nachwirken.

Einfache Sprache kann unsere Gesellschaft sensibler und freundlicher machen. Sie reißt Barrieren nieder und ermöglicht es, dass wir einander und die Welt besser verstehen. Denn da wo Menschen schwierige Sachverhalte und Zusammenhänge gut verstehen, werden Diskussionen zielführender. Einfache Sprache kann Entscheidungen nachvollziehbar machen und Vertrauen in die Verantwortlichen schaffen.

 

Glaubwürdige Kundenansprache

Komplexe Dinge verständlich zu machen, ist daher die große Herausforderung unserer Zeit. Sie bringt aber auch viele Vorteile mit sich, die wir im Marketing nutzen: Wenn Unternehmen ihre Produkte oder Dienstleistungen in einfacher Sprache beschreiben, können mehr Menschen verstehen, was sie anbieten. Die Kundenansprache wird dabei zugleich viel natürlicher und sympathischer. Durch den Respekt in der Ansprache und die spürbare Transparenz bei der Kommunikation werden Unternehmen gleichzeitig glaubwürdiger – und Werbung wesentlich eleganter. Einfache Texte entsprechen praktischerweise unserer Lebensrealität, denn wir neigen auch in der gesprochenen Sprache zu Kürzungen und Vereinfachung.

 

Einfach schreiben ist ein Handwerk

Beim Schreiben dieses Textes konnte ich feststellen: Es ist schwieriger als gedacht, denn leicht lesen bedeutet nicht im Umkehrschluss einfach schreiben. Es braucht viel Nachdenken und noch mehr Handwerk, damit das Ergebnis ein Volltreffer wird. Doch die Mühe lohnt!

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